Fliegend den Kaiserwinkl erkunden
Laufen, laufen, laufen, laufen... und immer weiter laufen...“ ruft es mir von hinten ins Ohr. Und so laufe ich, so schnell ich kann, immer weiter bergab. Über die unebene Wiese mit Blick ins Tal. Und dann sind meine Beine plötzlich in der Luft, meine Füße treten ins Leere. Ein Ruck, und ich fliege höher und höher. Die Menschen unter mir werden kleiner, die Seilbahn wirkt plötzlich winzig, als wäre sie Teil einer Modelleisenbahn-Landschaft.
Ich hänge im wahrsten Sinne des Wortes an zwei Seilen und begebe mich voll und ganz in die Hände meines Paragliding-Piloten – dem „fliegenden Holländer aus Tirol“, wie sich Mark Oude Elferink selbst nennt. Er ist beruflich schon seit Jahrzehnten in der Luft – war lange Zeit Flugbegleiter für KLM und ist nun Paragleiter-Pilot. „Airbus, Boeing oder Gleitschirm: Ich war schon immer Vielflieger und Sicherheit geht mir über alles“, ist seine Devise. Und so fühle ich mich von der ersten bis zur letzten Minute – an ihm beziehungsweise seinem Schirm hängend – vollkommen sicher.
Sepp Himberger - der Flugsportpionier aus Kössen
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„In den 1970er Jahren hat hier alles begonnen“, erinnert sich der 69-Jährige.1973 kaufte Himberger gemeinsam mit Freunden den ersten Drachen zum Drachenfliegen und er war der Erste, der mit diesem noch recht unbekannten Fluggerät abhob – damals allerdings noch mit Skiern an den Füßen. „Es gab damals drei Drachenflieger in Europa, darunter einen Italiener und einen Amerikaner."
Bald darauf wurde in Kössen der Traum vom Fliegen Wirklichkeit – und Himberger eröffnete 1974 seine erste Drachenflugschule. Es war die erste im Alpinbereich und die Nachricht von „Fliegenden Menschen“ machte nicht nur in der Region Kaiserwinkl schnell die Runde. 1975 veranstaltete der Kössener die erste Weltmeisterschaft im Drachenfliegen mit mehr als 200 Piloten aus der ganzen Welt. Kössen wurde bekannt, was Himberger, der auch als Tourismusmanager in der Region tätig war, sehr freute. Doch nicht nur „vor der eigenen Haustür“, sondern auf der ganzen Welt war Himberger unterwegs, um kräftig die Werbetrommel für den trendigen Flugsport und die Flugsportdestination Kössen zu rühren.
Vom Drachenfliegen zum Paragleiten
Doch bald löste das Paragleiten das Drachenfliegen ab. Schließlich ist der Gleitschirm neben dem Fallschirm das einzige Luftfahrzeug, das bequem in einem Rucksack auf dem Rücken getragen werden kann und in wenigen Minuten startklar ist. Zunächst von den „richtigen Fliegern“ belächelt und als „Abstiegshilfe“ für das Bergwandern abgetan, entwickelte sich der Flugsport über die nächsten Jahre zum gleichberechtigten Partner der Segelflieger und Hängegleiter. Heute fliegen Gleitschirmpiloten im Gebirge und im Flachland nicht selten Strecken über 100 Kilometer weit. Der Weltrekord steht sogar bei über 550 Kilometer geflogene Strecke.
1985 hat Himberger davon „Wind bekommen“ und im französischen Grenoble zum ersten Mal einen Paragleiter gesehen. Er war sofort begeistert: „Natürlich war der Gleitschirm wesentlich praktischer als ein Drachen – angefangen vom Lagern über das Transportieren im Allgemeinen und auf den Berg im Besonderen.“, sagt er. „Zudem war es wesentlich einfacher, das Paragleiten zu erlernen“, fügt er hinzu. Und so hat Sepp Himberger mit seinem Team 1986 in Kössen mit der Paragleiterei angefangen.
Auch in Kössen boomte das Paragleiten und in den 1990er Jahren begann man mit dem Tandemfliegen. Himberger bildete Hunderte von Piloten aus. „Heute überlassen wir die Grundausbildung unseren Partnern und Gastflugschulen in der Region und der Nachbarschaft, mit denen wir gut kooperieren“, erklärt er: „Dafür konzentrieren wir uns voll und ganz auf die Höhenflüge und die Prüfungen.“
Während der Unterberg im Winter ein Skiparadies ist, gehört der Berg jedes Jahr von Mai bis Ende September den Paragleitern. An Tagen mit guten Flugbedingungen und bester Thermik sind schon mal bis zu 1.000 Paragleiter am Start. Dann ist der blaue Himmel mit bunten Tupfern versehen.
Am Wochenende bin ich einer dieser bunten Tupfer. Ich betrachte den Lift und die Scheibenwaldhütte von oben, sehe die Tiroler Ache, die durch das Gewitter am Vortag braunes, reißendes Flusswasser mit sich führt. Die Kühe auf der Weide wirken winzig klein, als mich der Fliegende Holländer aus Tirol vom Startplatz Nähe der Bergstation in 1480 Metern Höhe in Richtung Tal fliegt. Nach einer halben Stunde landen wir sanft direkt auf der Wiese an der Flugschule. Das Grinsen in meinem Gesicht macht deutlich: Es war phantastisch, die Region mal aus einer luftigen Perspektive zu erleben. Und ich bin mir sicher: Das muss ich irgendwann noch einmal wiederholen.
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