Zu Besuch am Hermonshof
Ausgezeichneter Gin aus Kössen
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Caroline Fellinger, 41. Ist sie beruflich als Geschäftsführerin einer Kreativagentur viel in der virtuellen Welt unterwegs, genießt sie in ihrer Freizeit lieber die Natur – gleich, ob Berge, Flüsse, Seen und Wälder – Hauptsache, draußen. Beim Wandern, schwimmen, Kajak und Kanufahren im Sommer, Snowboarden und Skifahren im Winter ist sie immer auf der Suche nach Neuem.
Als ich in Kössen von der Hauptstraße rechts abbiege und zum Hermonshof komme, bin ich sofort überwältigt von dem schönen Hof. Trotz des Regens traut sich eine Stute mit ihrem Fohlen heraus und begrüßt mich – ebenso wie Eveline Weingartner. Sie führt mich direkt in das Heiligtum des Hofes, die Brennerei, wo sie edle Brände, Liköre und Gin herstellt. Für letzteren ist sie gerade auf der »Ab Hof«, der größten Messe für Direktvermarkter in Wieselburg, mit dem »Goldenen Stamperl« ausgezeichnet worden. Das bedeutet, dass sie von allen Einreichungen, die Gold erhalten haben, die Beste war.
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Gin – gekommen um zu bleiben
Eveline brennt seit 2015 Gin, denn damals ist das neue Brennrecht in Kraft getreten, was bewirkte, dass sie nun alles brennen darf. Wenn sie von ihrer Brennerei erzählt, leuchten Evelines Augen. Mit viel Geduld erklärt sie mir den Prozess, der notwendig ist, um am Ende einen perfekten Gin ins Glas füllen zu können: „Für Gin muss ein neutraler Alkohol mit Wacholderbeeren angesetzt werden. Das ist die Basis. Alle anderen Gewürze oder Kräuter, die man dazu gibt, sind nicht vorgeschrieben. Für diese Botanicals habe ich meine eigene Rezeptur, die ich aber immer wieder verfeinere und verändere“. Da alle Zutaten naturbelassen sind, ändert sich der Geschmack von Jahr zu Jahr. Eveline schmunzelt: „Das macht das Destillieren so spannend.“
Das Mazerat, so nennt man die Mischung aus Alkohol und Botanicals, wird anschließend destilliert. Ein zeitaufwändiger Prozess, der viel Erfahrung und Fingerspitzengefühl erfordert. Die Destille, die beim Betreten des Raumes sofort ins Auge fällt, kann sowohl mit Holz als auch elektrisch beheizt werden. Sie ist übrigens eine Maßanfertigung. Eveline zeigt mir, wo das Mazerat eingefüllt wird und schon kann ich die verführerische Mischung aus Wacholderbeeren und Kräutern riechen. Zunächst startet sie einen Probelauf mit 40 Litern. Der Probelauf wird von ihr selbst verkostet. Sticht eines der Botanicals zu sehr heraus, wird sie reduziert oder weggelassen. Erst dann beginnt der eigentliche Destilliervorgang mit maximal 150 Litern. Denn das oberste Ziel ist, dass das Endprodukt den Leuten schmeckt.
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Schnaps ist kein Edelbrand
Eveline stellt nicht nur Gin, sondern auch Edelbrände und Liköre her. Von ihr lerne ich, dass ein Schnaps kein Edelbrand ist: „Edelbrand ist das reine Destillat, das nur aus Früchten hergestellt wird. Es dürfen keine zusätzlichen Zucker oder Aromen zugeführt werden. Wenn dieses Destillat mit Neutralalkohol gestreckt wird, spricht man von Schnaps. Ich verschneide auch nicht, daher hängt der Geschmack immer stark von der Qualität des Obstes ab“. Handwerkliches Können ist Eveline auch bei ihren Likören wichtig. Sie verwendet keine künstlichen Farb- oder Aromastoffe. Für alle ihre Produkte verwendet sie entweder Obst aus eigenem Anbau oder von heimischen Bauern – mit einer Ausnahme, wie sie uns verrät: „Einen Marillenbrand kann man nicht nur aus heimischen Früchten machen. Was lustig ist, denn Tirol ist bekannt für seinen guten Marillenschnaps. Die wahre österreichische Spezialität sind Äpfel.“
Auf die Frage, ob es in ihrer Branche einen Trend gibt, antwortet die Expertin: „Liköre sind definitiv im Kommen, auch wenn sie von vielen noch unterschätzt werden. Aber wer einmal einen Grünen Nuss oder einen Kräuterlikör probiert hat, ist schnell überzeugt. Generell geht der Trend bei den Bränden zu weniger Alkohol, weil sie dann milder sind. Ich selbst tüftele gerade an einem Rezept für Kaffee- und Ginlikör“. Die Brennerei ist ausschließlich ihr Terrain. Angefangen hat sie 2012, weil schon ihr Vater hier gebrannt hat. Doch nach einigen Fortbildungen stellte sie fest, dass die alte Destille nicht mehr ausreicht. Seitdem investiert Eveline viel Zeit und Leidenschaft in die Entwicklung neuer Rezepte und die Verfeinerung des Brennprozesses.
Vom Verkosten und Verkaufen
Ihre köstlichen Edelbrände, Liköre und natürlich den preisgekrönten Gin verkauft sie hauptsächlich ab Hof und auf Märkten. Aber das Beste kommt bekanntlich zum Schluss: Bei Eveline kann man auch die Brennerei besichtigen und/oder eine Verkostung buchen. Dann erklärt sie ihren Gästen – wie mir heute – den Brennvorgang, die Produkte und als Höhepunkt werden diese auch verkostet. Dabei hat sie ganz unterschiedliche Gäste, von Polterrunden bis hin zu Familien. In Kooperation mit dem Tourismusverband gibt es jeden Mittwoch eine öffentliche Führung – mit der Kaiserwinkl Card ermäßigt.
Die Brennerei ist übrigens nicht das einzige Standbein des Hermonshofs. Eveline und ihr Mann bieten auch ganzjährig Kutschenfahrten an und verkaufen Fleisch aus Mutterkuhhaltung. Aber das würde den Rahmen sprengen – dazu später mehr.
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