Biketour auf die Naringalm
Das Ziel ist das Ziel, aber nicht das Erlebnis
Roland Aigner, 50. Der Kommunikationsprofi hadert immer noch damit, dass er sich nicht für eine Leistungssport-Karriere entschieden hat – daher ist er mit vollem Einsatz in seinem Unternehmen unterwegs. Zum Ausgleich gibt’s die Familie und jede Menge Sport – vor allem Outdoor: Biken, Running, Wandern, Klettersteig, Sportklettern und Bergtouren im Sommer sowie im Winter Alpin-Ski, Skitouren und Langlaufen. Mittlerweile zählt nicht mehr nur die Leistung, sondern das Gesamterlebnis – im Einklang mit der Natur, seiner Familie und dem Blick für das Schöne.
Der Sommer ist nun endgültig angekommen in unserer Lieblings-Outdoorarena Kaiserwinkl. Die beste Begleiterin von allen und ich sind zu einem Wochenendtrip auf dem Weg in den Kaiserwinkl. Da wir von Salzburg nur 45 Fahrminuten haben, ist für heute, Freitag, noch eine kleine Willkommenstour geplant. Die beste Begleiterin sieht mich mit einem etwas skeptischen Blick an, weiß sie doch zu gut, wie sie meine Tourenplanungen und die Beschreibung dazu einzuschätzen hat.
Aber nun mal von Anfang an. Nach einer streßfreien, kurzen Anreise über die deutsche A8 und über das Achental checken wir - diesesmal – im wunderschönen Hotel Alpina in Kössen ein, verstauen unser Gepäck im überaus geräumigen Zimmer und machen uns bereit für eine kleine Spätnachmittagstour. Es ist herrlich warm, ja sogar gefühlt heiß und daher wähle ich die Tour über die Naringalm, weiter zur Ottenalm und dann raus nach Walchsee und zurück nach Kössen aus, da hier ein großer Teil der Strecke im Wald verläuft.
Ab nach oben!
Das kurze Einrollen entlang der Ache bis zur Staffenbrücke und dann Richtung Staffen bis zum Parkplatz ist eine schöne Einstimmung und notwendige Vorbereitung – verbunden mit der ersten Entschuldigung an die beste Begleiterin von allen – für die Wortwahl „eine einfache Biketour zum Start des Wochenendes“ - prophylaktisch quasi.
Denn gleich nach dem Schranken geht es sehr knackig und steil ansteigend auf einer Forststraße nach oben, die aber technisch einfach zu befahren ist. Lediglich, so erzählt uns ein Einheimischer, der bald zu uns aufschließt und plaudernd neben uns her fährt, wenn die Straße unten neu geschottert wird, dann ist es etwas anspruchsvoller.
Tritt für Tritt geht es – meist im dichten Wald - aufwärts und schon bald belohnt uns der erste Ausblick auf die Bergwelt rund um den Kaiserwinkl. Der zähe, neue Bikekollege wird uns sehr bald etwas zu zäh und wir können sein Tempo nicht mehr mithalten. Nun sind wir wieder ganz alleine. Jeder Atemzug ist eine pure Frischluftkur und füllt unsere Lunge, die die ganze Woche heiße Büroluft eingesaugt hat, mit der herrlichen Kaiserwinkler Bergluft (gibt’s leider nicht in Dosen).
Ich warte schon darauf und dann kommt sie auch, die beinahe obligatorische Frage meiner besten Begleiterin von allen: „Warum tun wir uns das eigentlich immer wieder aufs Neue an?“ Da ich im Moment keine wirklich zufriedenstellende und motivierende Antwort geben kann, schweige ich. Ehrlich gesagt, hab ich mich das auch kurz davor gefragt. Zwei Kehren weiter erhalten wir – wie immer – unsere ganz einfache Antwort: „Darum!“ Der Wald lichtet sich und wir schauen auf die harmonische Almregion zwischen Harauerspitze und Ottenalm – links dahinter thront das Kaisermassiv. Frage eindrucksvoll beantwortet.
Den Moment genießen
Wir arbeiten uns die nächsten Kehren hoch und kommen auf ein Almgebiet. Nur mehr eine Kehre und knappe zweihundert Höhenmeter zu unserem heutigen Ziel – der Naringalm mit sicherlich sehr erfreulich kühlen Gipfel-Kaltgetränken. Herrlich breitet sich vor uns ein hügeliger, grüner Wiesenteppich auf und die beste Begleiterin von allen, nebenbei auch Kräuterpädagogin in Ausbildung, fängt an jede Blumen und jedes Kräuterchen zu benennen und mit einer Heilwirkung zu hinterlegen. Unser Blick geht nach rechts auf eine Hügelkuppe mit einem sehr markanten Baum, dahinter der Blick über Kössen in den Kaiserwinkl. Und dann spricht die beste Kräuterpädagogin von allen aus, was wir uns beide wirklich denken: „Jetzt möchte ich unter diesem Baum sitzen, ins Tal schauen und den Moment genießen“.
Wir blicken nochmals nach oben, sehen bereits unser Ziel, die Naringalm vor uns, sehen uns an und sind uns einig. Ja, wieder einmal ist das Ziel nur die Motivation, der Weg und der Moment aber das wahre Erlebnis.
Richtig! Eine Minute später sitzen wir unter dem Baum, genießen den Schatten und blicken ins Tal. Die angehende Kräuterpädagogin kommt ins Schwärmen – zeigt mir wilden Thymian, Hornklee und viele weitere Naturkräuter und uns wird wieder einmal klar, warum der weitbekannte Kaiserwinkler Heumilchkäse einfach so gut schmeckt.
Ein schöner Tag geht zu Ende
Als wir beginnen über das Glück der Kaiserwinkler Kühe zu philosophieren und diese beinahe beneiden, weil sie diesen Blick und dieses Naturbuffet jeden Tag haben, dränge ich darauf, wieder aufzubrechen und ins Tal zu fahren. Nichts gegen philosophische Gespräche, aber die kann man auch bei einem alkoholfreien Gipfelbier, diesmal halt im Tal, führen.
Dennoch fällt es uns heute sehr schwer, diesen Moment der Ruhe und Harmonie aufzugeben. Nur das Wissen, dass wir nicht nur jederzeit wiederkommen können, sondern, dass noch viele schöne Touren hier im Kaiserwinkl auf uns warten, lässt uns zufrieden die Helme festzurren und den Sattel tieferstellten. So ein Downhill-Trail hat ja auch was.
Wir beschließen, dass wir das Gipfelbier am See zu uns nehmen und rollen auf dem Radweg zwischen Kössen und Walchsee (eine kleine Steigung), schütteln die Beine aus und sind noch ganz bei uns. Dieses Mal kehren wir auf der Terrasse des Bellevue in Walchsee ein und aus dem Gipfelbier wird eine Sundowner mit herrlichem Blick über den See. Bevor wir über das Glück der Enten im Kaiserwinkl zu philosophieren beginnen, brechen wir auf und freuen uns auf das Abendessen. Ein schöner Tag, der wieder einmal nicht so verlief, wie geplant. Und genau das macht uns zufrieden.