Den Schmugglern auf der Spur
Oder: Wie der Käse nach Bayern kam
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Sophie und Louise, 33 und 4 Jahre, sind als Mutter-Tochter-Gespann fast täglich in der heimischen Bergwelt unterwegs. Über ihre Erlebnisse beim Bergsteigen, Wandern, Klettern und Radeln und berichten sie auf ihrem Instagram-Kanal @alpenbaby
Unterwegs am Schmugglerweg von Kössen zum Klobenstein
Das Thema Schmuggeln war bei uns im Grenzgebiet zwischen Bayern und Tirol im letzten Jahr so aktuell wie lange nicht. Die Grenzen waren dicht und drüben, auf der anderen Seite der Grenze, gab es viele verheißungsvolle Leckereien, deren Zugriff uns plötzlich verwehrt wurde. Tiroler Käse von der Käserei Plangger, der gute österreichische Senf, mein Lieblings-Rahmspinat, und die guten Spinatknödel von der Bio-Käserei Walchsee. Bisher Alltag, plötzlich Schmuggelware. Die, die noch auf die andere Seite durften, um zu arbeiten, wurden zu Kurieren, die im Nachbarland bayrische Brezen gegen Tiroler Käse tauschten.
Brezen als Schmugglerware?
So, oder so ähnlich ging es früher bestimmt auch all denen, die zwischen Kössen und Ettenhausen auf dem Schmugglerweg unterwegs waren. Wahrscheinlich gab’s lukrativere Schmugglerware, als Brezen, aber wer weiß.
Sogar nach dem 2. Weltkrieg wurden über den Schmugglerweg angeblich noch Zigaretten, Kaffee, Rum und sogar Käselaibe geschmuggelt - fast wie heute, sozusagen. Aber schon viele tausend Jahre vorher, in der frühen Bronzezeit (1.800 vor Chr.), war dieser ein wichtiger Handelsweg für Kupfer und Bronze, und im Mittelalter für den Transport von Wein und Salz.
Wir bewandern heute zusammen mit unserer Tochter Louise (2,5 Jahre) den ersten Teil des geschichtsträchtigen Schmugglerweges von Kössen bis zum Klobenstein. Auf seinem weiteren Weg führt er dann über die deutsche Grenze bis nach Ettenhausen kurz vor Schleching.
Entlang der Tiroler Ache
Unsere Wanderung beginnt im Ortszentrum von Kössen bei einer Kugel Eis. Wandermotivation für kleine Bergzwerge. Wir folgen nun entlang der Tiroler Ache dem ausgeschilderten Wanderweg Nr. 15 in Richtung Klobenstein, der uns über sonnige Wiesen in Richtung eines Bergwaldes führt, wo der Weg leicht ansteigt. Weit oberhalb der Großache geht der Weg nun gemütlich durch den schattigen Bergwald dahin. Louise findet allerhand Blumen, Stöcke und Steine, die ich alle in meinen immer dicker werdenden Hosentaschen verstauen muss. Die Strecke von Kössen bis zum Klobenstein ist zwar eigentlich insgesamt nur gute 3 Kilometer lang, wobei wir nur 110 Höhenmeter überwinden müssen - mit Kleinkind ist das heute aber schon eine gute Halbtagswanderung. Es dauert einfach alles.
Zum Glück wird Louise irgendwann müde, sodass wir sie in die Kraxe setzen und einen Zahn zulegen können. Unter uns rauscht das Wasser und der schön ausgebaute Weg führt weiter fast eben in Richtung Norden. Wir passieren ein Kneipp-Becken und einen Waldrastplatz, wo wir jeweils unsere Schuhe ausziehen und unsere Füße kurz in das kühle Wasser eintauchen.
Von Bibern, Paddlern und großer Kunst
Kurz darauf ruft es aus der Kraxe: „ein Muuurmeliii!“ Ein Murmeltier? Neee, Louise, das gibt’s hier nicht. „Doooch! Da uunten!“. Sie hat recht. Fast. Ein großer (unechter) Biber sitzt am Wegesrand und eine Infotafel erklärt uns allerhand Wissenswertes rund um den Biber.
Direkt hinter dem Biber aber entdecken wir eine riesige exponierte Aussichtsplattform, die uns einen atemberaubenden Blick in den Canyon erlaubt, der sich unter uns erstreckt. Einige Rafter und Kajakfahrer paddeln gerade vorbei und wir genießen den Ausblick in die Tiefe. Gegenüber entdecken wir auch schon unser heutiges Ziel, das Gasthaus Klobenstein und die Wallfahrtskirche Maria Klobenstein.
Louise will nun wieder „selba laufn“ und rennt den schmalen Steig förmlich hinab. Springt über die aus Holzplanken angelegten Stufen und saust in Richtung der 33 Meter langen Hängebrücke, die uns an der Entenlochklamm über die Großache bringt. Das Wasser fließt in einem hellen Türkis unter uns hindurch, die Felsen glitzern in grau und grün zu uns hinüber. Gemischt mit den bunten Booten der Paddler bietet sich ein Bild, das wirklich einem Kunstwerk gleicht. Mit zweieinhalb hat man eindeutig keinen Blick für solche „Kunstwerke“, da zählt nur eins: Kekse! „Huuungeeer!“ Ruft unser Wanderzwerg quer durch die Schlucht.
Gut, Louise, weiter gehts. Ab über die Brücke und rauf auf den nächsten Felsen am Wasser, wo wir erstmal Pause machen und die Kajaks und sogar Standup-Paddler beobachten, die an uns vorbei gleiten.
Sagen, Mythen und Klettermaxe
Der letzte Teil des Weges führt uns nun durch den idyllischen Gastgarten des Gasthaus Klobenstein bis hoch zur Wallfahrtskirche Maria Klobenstein. Der Sage nach drohte an dieser Stelle ein herabstürzender Felsen eine Frau zu erschlagen. Als sie um Hilfe betete, teilte sich der Fels und blieb links und rechts neben der Frau auf der Erde liegen. “Klobenstein” bedeutet demnach nicht mehr als “Gespaltener Stein”. Dieser besondere Felsen, durch den man heute durchschlüpfen kann und damit angeblich von seinen Sünden befreit wird, wurde zum Wallfahrtsort, so dass hier eine Kirche und später auch eine Kapelle errichtet wurden. Damit die Wünsche allerdings wahr werden können, darf man beim Hindurchlaufen den Fels links und rechts von einem nicht berühren. So erzählt man es sich.
Louise ist jetzt auf jeden Fall von ihren Sünden befreit, nachdem sie gefühlte 50 Mal durch den Fels gerannt ist. Direkt oberhalb der Wallfahrtskirche verläuft die Straße, die Schleching mit Kössen verbindet und genau dort befindet sich auch ein wunderschönes Sportklettergebiet. Wir nehmen noch kurz die paar Höhenmeter auf uns, um zu sehen, was so los ist in unserem Lieblings-Klettergebiet und beobachten die Kletterer, die in luftiger Höhe nach dem nächsten Griff tasten.
Ach Klobenstein, wir haben Dich vermisst. Am liebsten hätten wir uns im letzten Jahr selbst hierher geschmuggelt, um nur ein paar Mal hier am Fels zu hängen und danach ein Bier im Gastgarten des Gasthaus Klobenstein zu genießen. Am Rückweg hätten wir noch Spinat, Senf und Käse in unseren Rucksack gepackt und uns dann durch das Rundtor aus Fels zurück in Richtung Deutschland aufgemacht.