Dorfführung durch Walchsee
Eine Reise in die Vergangenheit
Caroline Fellinger, 41. Ist sie beruflich als Geschäftsführerin einer Kreativagentur viel in der virtuellen Welt unterwegs, genießt sie in ihrer Freizeit lieber die Natur – gleich, ob Berge, Flüsse, Seen und Wälder – Hauptsache, draußen. Beim Wandern, schwimmen, Kajak und Kanufahren im Sommer, Snowboarden und Skifahren im Winter ist sie immer auf der Suche nach Neuem.
An einem schönen Dienstagmorgen mache ich mich endlich wieder einmal auf in den Kaiserwinkl. Ich bin schon sehr gespannt, denn heute steht eine Dorfführung mit Josef durch Walchsee am Programm. Für Tourist*innen mit der Kaiserwinkl Card ist diese übrigens kostenlos und (ohne zu viel vorweg zu nehmen) sie ist wirklich ein Geheimtipp. Ich erzähle euch natürlich nur meine Highlights, denn wirklich jede*r sollte die Ortsführung selbst erleben.
Lüftlmalerei am Schopferwirt
Eine bunte Gruppe von Leuten trifft sich bei Tourismusbüro und ich bin erstaunt, wie viele wir sind. Schon nach ein paar Metern stehen wir vorm Walchseer Hof, der mir bereits vorher wegen seiner wunderschönen Lüftlmalerei aufgefallen ist. Josef erklärt uns, dass es die Lüftlmalerei schon seit über 250 Jahren gibt: „Sie ist typisch für unsere Region. Die bemalten Teile des Hauses wurden mit Kalk verputzt und mit Kalkfarbe bemalt. Das ist eine so starke Verbindung, dass die Malerei praktisch nicht mehr zerstörbar ist.“ Amüsant finde ich das kleine Detail, dass der Walchseer Hof bei den Einheimischen als „Schopferwirt“ bekannt ist. Der Name kommt von einem aufmüpfigen Gast, der am Schopf (an den Haaren) entfernt wurde – und das ganz ohne Security Dienst.
Hurra, die Schule brennt
Gleich daneben befindet sich das ehemalige Gemeindeamt und Schulhaus. Dieses Gebäude hat wahrlich eine bewegte Geschichte hinter sich: Am Dreikönigtag 1945 kam es wegen Überhitzung des Eisenofens zum Brand. Das Problem war, dass es an diesem Tag unglaubliche -20°C hatte. Da die Männer im Krieg waren, mussten die Frauen zuerst ein Loch in die meterdicke Eisschicht des Walchsees schlagen. Als sie das geschafft hatten, kam der nächste Schock: Die Pumpe funktionierte nicht und musste repariert werden. Doch damit immer noch nicht genug: Wegen den vielen Minusgraden gefror das Wasser immer wieder und bis der Brand gelöscht war, war das Gebäude bis auf die Grundmauern niedergebrannt. Während sich die Schüler*innen freuten, hat das Ereignis für Walchsee bis heute bittere Nachwirkungen: Mit dem Feuer verschwanden alle Urkunden und Informationen über Walchsee vor 1945.
Zeit, nostalgisch zu werden
Wenn ihr in Walchsee seid, musst ihr euch unbedingt das Gemälde im Musikpavillon genauer ansehen. Hier ist Walchsee um 1900 abgebildet, es gab nicht viel mehr als die Kirche und ein paar Bauernhöfe. Josef beschreibt uns das Leben damals: „Es war einfach. Die Walchseer waren ärmlich. Es gab hauptsächlich Viehzucht, denn die Gegend ist für den Ackerbau eher ungeeignet. Der Stolz der Bauern war ihr Vieh, vor allem ihre Kühe.“ Es wirkt richtig idyllisch und einladend, finde ich. Tourist*innen gab es ja zu dieser Zeit keine – das Reisen mit der Postkutsche war eine beschwerliche Angelegenheit. Erst mit dem Bau der Eisenbahn kamen die ersten Sommerfrischler in den Kaiserwinkl. Mit ihnen kam auch der wirtschaftliche Aufschwung: Mit den zusätzlichen Einnahmen wurden die ersten Traktoren angeschafft.
Die Sommerfrischler wohnten natürlich bei den Bauern. Dafür wurden die Kinder in den Keller, den Dachboden oder sogar den Heuboden ausquartiert – man wollte soviel Platz wie möglich für die Gäste haben. Das Frühstückszimmer war die Bauernstube und gewaschen haben sich alle mit kaltem Wasser in der Waschschüssel. Erst in den 70iger Jahren wurde viel umgebaut und Hotels und Privatzimmer wurden errichtet. Spannend, dass der Tourismus eigentlich ein so junges Geschäft ist.
Die Kirche mit den Fledermäusen
Gleich neben dem Musikpavillon ist die Kirche mit einem 38 Meter hohen gotischen Turm und einem neu gedeckten Schindeldach. Beim Eintreten in die Kirche zog mich gleich in die schön geschnitzte Innentüre in ihren Bann und natürlich Josefs Erzählungen, denen wir gemütlich auf den Kirchenbänken lauschten. Alles kann ich euch nicht erzählen, denn das würde wohl den Rahmen meines Artikels sprengen, aber ich will euch nicht vorenthalten, dass im Dachstuhl der Kirche die größte Fledermauskolonien Tirols beherbergt ist. Für das Große Mausohr wird die Kirche als Wochenstube genutzt. Habt ihr gewusst, dass eine Fledermaus eine Million Insekten pro Jahr vertilgt? Gut, dass die Schwemm, die Moorlandschaft, nicht weit entfernt ist. Hier finden sie mehr als genug Nahrung. 2008 wurde übrigens eine Tonne Fledermausmist (Guarana) vom Dachstuhl entfernt – ein perfekter Pflanzendünger!
Josef macht seit Jahren die Dorfführungen in Walchsee