Fest der Almen
Almabtrieb im Kaiserwinkl

Uli Kaiser, 51, freier Journalist für Sport, Wirtschaft und Kultur, hat in seinem Leben zahlreiche Leistungssportler hautnah begleitet. Er genießt das Leben in der Natur und saugt jede kleine Nuance auf. Schwimmen, Radfahren, Wandern und Nordic Walking gehören zu seinen sportlichen Betätigungsfeldern. Ansonsten macht er sein Hobby zum Beruf. Er genießt Regionen zu entdecken und zu beschreiben, wie Menschen leben und welche Gedanken sie haben.
Kaiserwinkl und Almwirtschaft sind Eins. Diese Verbindung ist nicht nur Teil einer faszinierend schönen Kulturlandschaft, sondern trägt auch entscheidend zu ihrem Erhalt bei. Viele Nuancen dieser Geschichte können die zahlreichen Gäste des traditionellen Kössener Almabtriebes während des gemütlichen und entspannten Festzuges Ende September erleben. Kaiserwetter wie heuer hatten die Organisatoren schon lange nicht mehr. Kein Wölkchen trübt den strahlend blauen Himmel. Die spürbare herbstliche Kälte weicht spätsommerlicher Wärme.
Wir genießen den Vormittag und schlendern zunächst durchs Kössener Zentrum. Dort richten sich alle für das Fest zur Begrüßung der vierbeinigen Almbewohner. Genussvoll sehe ich, wie eine der Ortsbäuerinnen den herrlichen Käse langsam schmelzen lässt. So ein Käsebrot mit einem deftigen Bauernbrot ist perfekt als Unterlage. Guad schmeckt´s!
An diesem Vormittag warten die Gäste nicht nur auf die Tiere, die ab sofort nicht mehr die Weite der Bergwelt genießen können, sondern auch auf einen abwechslungsreichen Festzug. Neben der örtlichen Musikkapelle und anderen Vereinen sind auch Freunde aus dem benachbarten Bayern und aus den Dörfern der Umgebung vertreten. Insbesondere Bayern und Tiroler haben doch viel gemein. Die Tiroler Ache füllt den Chiemsee. Aus dem bayerischen Meer fließt die Alz heraus. Diese ist wiederum eine der Energieadern, die meine Heimat Burghausen zu einem der wichtigsten Wirtschaftsmotoren Bayerns werden ließ. Bis 1322 gehörte Tirol zu Bayern. Auch wenn die Dialekte anders sind, ist eine schöne Verbundenheit zu spüren.
Beste Unterhaltung beim Almabtrieb
Zurück zum Almabtrieb: Fahnenschwinger, Goaßlschnoizer und viele andere sorgen für beste Unterhaltung. Die Menschen am Straßenrand haben ihre Freude. Vielfach erklingt wärmender Applaus. Es ist einfach nur schön. Zum 30. Mal findet der Almabtrieb statt. Das „Almhoamfahr´n“ beschert den Gästen viele wertvolle Informationen. So erfahren wir auch, welche Arten von Kühen es gibt. Dafür werden die vierbeinigen Freunde einzeln vorgestellt. Bunt geschmückt marschieren die Almbewohner zunächst eher widerwillig zur Präsentation. Sie sind halt keine „Models“. Die eine oder andere „Kössenerin“ muss buchstäblich zu ihrem Glück geschoben werden. Als die Präsentation vorbei ist, sind zwei Prachtexemplare zu bewundern. Jetzt genießen sie ihre Wichtigkeit und lassen sich auch gerne mal streicheln. Und plötzlich liegt wieder genau in dieser Ruhe die Kraft.
Da noch Zeit bis zum Eintreffen aller Kühe, Ziegen und Schafe ist, schlendern wir nochmals durchs Ortszentrum. Es ist wunderschön – ein wahrer Genuss, weil die Sonne so angenehm scheint. Plötzlich schauen wir auf und müssen schmunzeln. Mittendrin liegen zwei Schwarznasenschafe, die ebenfalls hoch auf dem Berg den Sommer genossen haben. Vor allem die Kleinen begeistern. Sie wirken wie zwei Steiff-Tierchen, die man als Deko dazugelegt hat. Ihre „Tarnung“ fliegt aber schnell auf, als sich räckeln und völlig „gechillt“ in die nächste dösige Runde einsteigen. Jetzt steigt die Spannung. Das Almhoamfahr´n biegt auf die Zielgerade ein. Im Gegensatz zu den vierbeinigen widerwilligen Laufstegperlen haben die Kolleginnen ein Affentempo drauf. Sehr zügig flitzen die Tiere an ihren Fans vorbei. Eine Kuh hat´s faustdick hinten den Ohren. Sie bleibt vor einer Kurve stehen und fixiert ihre Anhänger. Dann trabt sie flotten Schrittes auf die Zuschauer zu, bremst kurz vor diesen genüsslich ab. Es wirkt so, als ob das schelmische Vieh ein bisschen Show fürs Volk machen wollte. Ich muss unweigerlich grinsen und gerade kommt´s mir so vor, als ob die künstlerisch Begabte auch ein wenig ihre Mundwinkel hochzieht. Wer weiß das schon? Auf alle Fälle lohnt sich der Ausflug zum Almabtrieb. Es ist ein buntes Fest und ein echtes Stückerl Kultur.