In Regionalität und Einfachheit liegt die Kraft
Interview mit Uli Ruprecht, Koch für die Deutsche Nationalmannschaft der Nordischen Kombinierer
Caroline Fellinger, 41. Ist sie beruflich als Geschäftsführerin einer Kreativagentur viel in der virtuellen Welt unterwegs, genießt sie in ihrer Freizeit lieber die Natur – gleich, ob Berge, Flüsse, Seen und Wälder – Hauptsache, draußen. Beim Wandern, schwimmen, Kajak und Kanufahren im Sommer, Snowboarden und Skifahren im Winter ist sie immer auf der Suche nach Neuem.
Vor kurzem hatte ich das Vergnügen mit Uli Ruprecht ein Interview zu führen. Uli Ruprecht betreibt gemeinsam mit seiner Frau die wunderschöne Jausenstation Mühlberghof in Kössen. Doch nicht nur Einheimische und Gäste schätzen seine Kochkünste, auch das Nationalteam der Deutschen Nordischen Kombinierer greift seit 2009 so oft es geht darauf zurück. Im Interview erzählt er uns über sein Leben und seine Leidenschaft fürs Kochen. Außerdem plaudert er ein bisschen aus dem Nähkästchen, wie es ist, für die Sportler zu kochen. Also, lassen wir ihn schnell zu Wort kommen.
Fangen wir mit dem Klassiker an – Warum bist du Koch?
Mir ist das Kochen praktisch in die Wiege gelegt worden. Ich komme aus einer gastronomischen Familie, von meinen fünf Geschwistern sind drei Köche und zwei arbeiten im Service. Wir hatten einen gastronomischen Betrieb zuhause, wo alle mitgeholfen haben – von der Großmutter, über Mutter und Vater und eben wir Kinder. Mein großer Bruder war mein Vorbild. Er hat seine Kochlehre im Allgäu absolviert und sich nach einigen Jahren einen Michelin- Stern erarbeitet. Ich selbst habe in der Nähe von Nürnberg meine Lehre in einem gehobenen Hotel gemacht, wo fast täglich Prominenz ein- und ausgegangen ist, wie zum Beispiel Michael Jackson. Anschließend war ich im Hotel Bayerischer Hof in München tätig. 1987 habe ich meine Frau Ina kennengelernt und bin mit ihr von Mainz über den Schwarzwald, nach Zürich bis nach Südafrika auf Wanderschaft gegangen. Als mein Vater 1994 verstorben ist, sind wir in unsere Heimat ins Fichtelgebirge zurückgekommen und haben den elterlichen Betrieb übernommen. Nach zwei Jahren haben wir uns auf der Bleaml-Alm in Fichtelberg/Neubau selbstständig gemacht.
Dort hast du den ersten Kontakt zum Skisport gehabt. Wie bist du dann Koch der Deutschen Nationalmannschaft geworden?
Durch unseren Heimatverein Skiclub Neubau hatte ich viel Kontakt mit Wintersportlern. Wie das Leben so spielt, sind eines Tages Horst Hüttel, Schulkamerad und jetziger Teammanager beim Deutschen Skiverband für die Nordische Kombination und Skisprung, und Teamarzt Dr. med. Stefan Pecher, auf mich zugekommen und haben mich gefragt, ob ich Lust habe, bei der Weltmeisterschaft in Liberec zu kochen. Und dann ging es Schlag auf Schlag: 2009 hatte ich die ersten Kontakte zu den Athleten und Trainern und seitdem, wenn es sich einrichten lässt, bin ich immer mit dabei.
Am 26. November ist Weltcupauftakt in Kuusamo/Finnland. Was bedeutet das für dich? Was musst du vorbereiten? Wie kommst du hin?
Vor einer Reise frage ich die Mannschaft immer, ob sie irgendwelche besonderen Wünsche haben. Dafür haben wir sogar eine WhatsApp-Gruppe. Zum Glück sind im Grunde alle sehr unkompliziert, wir haben keine Allergiker, Veganer oder Vegetarier. Das macht die Vorbereitung und Planung einfacher. Als nächstes gehe ich einkaufen, alles was nicht verderblich ist, kaufe ich hier in Kössen vor Ort. Mir ist Regionalität sehr wichtig, ich möchte wissen, wo die Lebensmittel, die ich verarbeite, herkommen. Dafür zahle ich auch gerne ein paar Euro mehr – gleich, ob ich nun für die Nationalmannschaft koche oder für meine Gäste auf der Jausenstation. Wenn ich nicht genau weiß, welche Lebensmittel ich an den jeweiligen Trainings- oder Wettkampfstätten bekomme, kaufe ich das Fleisch regional zuhause ein und mariniere und vakuumiere es. So bleibt es frisch. Zuletzt packe ich alle wichtigen Küchenutensilien ein. Ich habe gerne mein eigenes Werkzeug mit dabei. Wir wohnen ja meist in Appartements, wo es zwar eine Haushaltsküche gibt, aber das reicht nicht aus, um für die komplette Mannschaft zu kochen. Alles zusammen wird dann entweder in ein Auto gepackt, dass mir zur Verfügung gestellt wird, oder wir bringen die Sachen in den Wachs-Truck unter.
Worauf achtest du, wenn du für die Sportler kochst?
Generell koche ich immer für das ganze Team. Aber für die Athleten achte ich darauf, dass die Speisen fettarm und dafür kohlenhydrat- und eiweißreich sind, denn Nordische Kombinierer brauchen beides. Ich verwende wenig Weißmehl und Fette, dafür ausreichend Huhn, Kalb, Rind und Fisch. Aber auch Salat, Gemüse, Vollkornprodukte, Birchermüsli und magerer Käse dürfen nicht fehlen. Ganz wichtig ist die schonende Zubereitung. Ich verwende gute Öle, die den Magen nicht belasten. Aber das Wichtigste auch hier: Es muss schmecken. Denn wer keinen Spaß am Essen hat, bekommt schlechte Laune und mit schlechter Laune kann niemand Höchstleistungen bringen. Darum koche ich mit viel Liebe und das merken auch „meine“ Jungs.
Bundestrainer Hermann Weinbuch sagt immer: „Wenn ein Sportler erfolgreich sein will, muss alles stimmen – das Equipment und die körperliche Verfassung und da gehört eben auch die Ernährung dazu.“
Spaß auf dem Teller, Spaß auf der Loipe. Jetzt in der Vorbereitungszeit waren wir in der Schweiz und da kam vom Trainer eine klare Ansage – ich soll nicht zu gut kochen, die Athleten müssen auf ihr Gewicht achten.
Und dann machst du einfach kleinere Portionen?
Nein, ich achte auf eine gesunde, ausgewogene Ernährung und wie viel die Athleten davon dann benötigen ist ihnen überlassen. Ihr Körper ist ja in gewisser Weise ihr Kapital und sie wissen sehr gut, wie viel sie brauchen. Außerdem stehen sie ja auch unter ständiger Kontrolle. Und wenn das Ziel ist, abzunehmen, dann machen sie das auch, denn jedes Kilo sind beim Sprung 2,5 Meter mehr oder weniger.
Das klingt nach viel Planung, aber auch nach viel Abwechslung. Was schätzt du besonders an deiner Tätigkeit als Koch für die Nationalmannschaft?
Ganz klar, dass Team. Wir sind wie eine große Familie. Auch wenn wir uns dazwischen immer wieder länger nicht sehen ist es jedes Mal wie nach Hause kommen. Das Tolle ist, dass wir alle gleich sind. Auch die Sportler sind am Boden geblieben und in keinster Weise abgehoben. Wir alle wissen, dass wir nur miteinander funktionieren, nur zusammen gute Resultate holen können und da gehören eben alle dazu: Sportler, Trainer, Techniker, Physiotherapeuten, Ärzte, Wissenschaftler und Köche.
Und wie ist es für dich mit so erfolgreichen und bekannten Athleten zusammenzuarbeiten?
Es ist super, sie sind alle so respektvoll – auch zu Sportlern von anderen Nationen – und einfach am Boden geblieben. Mit Eric Frenzel habe ich sehr guten Kontakt. Als er seine Frau Laura geheiratet hat, hat er mich gefragt, ob ich seine Hochzeit in der Oberpfalz ausrichten möchte. Das war für mich natürlich eine große Ehre für den 5-fachen Weltcup-Gesamtsieger und 4-fachen Nordic-Combined -Triple Sieger in Seefeld und für seine Gäste kochen zu dürfen. Auch mit Hermann Weinbuch verbindet mich eine langjährige Freundschaft. Alle im Team sind aufrechte, ehrliche Kerle und das schätze ich sehr.
Wie schätzt du Chancen der Deutschen, aber auch der Österreichischen Nationalmannschaft diese Saison ein?
Heiß hergehen wird es zwischen Deutschland und Norwegen, aber auch Österreich und Frankreich werden gut mitmischen. Bis vor zwei Jahren war ja die Deutsche Mannschaft dominant, jetzt sind die Norweger vorne. Aber in der anstehenden Wintersaison 2020/2021 werden die Karten neu gemischt. Wir freuen uns auf alle Fälle schon auf die Wettkämpfe und natürlich auch auf die Erfolge.
Und was passiert in der Zwischenzeit mit der Jausenstation Mühlberghof, wenn du weg bist?
In dieser Zeit rocken meine Frau Ina, meine Tochter Lisa und unser tolles Team Julia und Joshi unseren Betrieb. Ich glaube, ich nutze an dieser Stelle die Gelegenheit, um mich mal richtig zu bedanken: Ohne meine Frau wären so viele Sachen in meinem Leben nicht möglich gewesen. Wir sind seit 33 Jahren liiert und seit 25 Jahren verheiratet, sie ist einfach mein Schatz. Der Rückhalt meiner Familie ist einfach super, ich habe nämlich auch oft in der Hauptsaison gefehlt, dann wo jede Hand zählt.
Zum Schluss musst du uns noch verraten, was dein Lieblingsrezept ist und auf welchen Trend auch Hobbyköche aufspringen müssen…
Ganz klar, der große Trend ist Regionalität und die versuche ich, so gut es geht, umzusetzen. Alles was ich zum Kochen benötige, bekomme ich vor Ort. Und wenn ich weiß, wo es herkommt, schmeckt es mir gleich viel besser. Mein Motto: Frische, regionale Produkte, die einfach zubereitet werden. Zum Beispiel Fleischpflanzerl mit Karottengemüse und Kartoffelstampf – so einfach, so genial, da brauch ich keine Austern. Kochen ist ein unwahrscheinlich interessantes Handwerk. Und was zum Frühstück nicht fehlen darf: Mein selbstgemachtes Birchermüsli.