In Tandem durch die Luft
Gleitschirmfliegen am Unterberghorn in Kössen
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Sophie und Louise, 33 und 4 Jahre, sind als Mutter-Tochter-Gespann fast täglich in der heimischen Bergwelt unterwegs. Über ihre Erlebnisse beim Bergsteigen, Wandern, Klettern und Radeln und berichten sie auf ihrem Instagram-Kanal @alpenbaby
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die bunten Punkte, die sich bei schönem Wetter am Himmel zeigen.
Gleitschirmflieger.
Lautlos gleiten sie durch die Lüfte, nutzen die Thermik, um sich in schwindelerregende Höhen hinaufzuschrauben, oder in steilen Spiralen in Richtung Boden zu sinken.
Großartig muss die Aussicht da oben sein. So ruhig, so frei, so grenzenlos.
Dass ich dieses Gefühl so bald selbst kennenlernen sollte, hätte ich bis vor Kurzem nicht gedacht.
Obwohl das Unterberghorn in Kössen zweifellos zu den bekanntesten Fluggebieten der Nordalpen gehört, war es für mich bisher unvorstellbar, dass ein „Jedermann“ wie ich ohne Vorkenntnisse in den Genuss eines solchen Erlebnisses kommen könnte.
Ganz einfach, so ein TAN-DEM-FLUG
Eigentlich plante ich, dass ich für diesen Artikel einfach meinen Gleitschirm-verrückten Schwager aufs Unterberghorn in Kössen begleite, schöne Fotos schieße und ihn interviewe, wie es ist, durch die Lüfte zu fliegen, gesichert durch ein paar Seile, an einem großen, orangefarbenen Schirm.
Doch dass ich selber fliegen würde, das hätte ich mir nie erträumt.
„Flieg doch selber!“ erwiderte mein Schwager nämlich auf meine „Interview -Anfrage“.
„Das trau ich mich nicht!“ meine spontane Reaktion. „Ich kann das doch nicht!“
„Musst Du auch nicht. Das nennt man TAN-DEM“ antwortete er süffisant zurück.
Das konnte ich mir nicht auf mir sitzen lassen.
Von Profipiloten und perfekter Thermik
Gut, dass die Paragliding - Piloten Leo und Chris der „Next Outdoor Generation“ (NOG) in Kössen spontan Zeit für einen Flug mit mir hatten.
Länger hätte ich nicht warten wollen - bevor die Angst kommt, und so.
Ein sonniger Freitag im Mai sollte mein Premierentag werden.
Der Schnee war fast geschmolzen, die Thermik perfekt zum Fliegen.
Die Aufregung war sofort verflogen, als ich die zwei einheimischen Inhaber und Piloten der NOG in Kössen am Parkplatz der Bergbahn Hochkössen kennenlerne.
„Gemmas an!“ sagt Chris freudig und grinst mich mit seinem Tiroler Schmäh breit an.
„Des Taxi auffi auf’n Berg is des G’fährlichste heut“ fügt er zwinkernd hinzu.
Mit dem Taxi auf den Gipfel
Die Bergbahn Hochkössen fährt in der Vorsaison nur am Wochenende, deswegen bringt uns heute ein Sammeltaxi auf den Gipfel des Unterberghorn.
11 Gleitschirmflieger, inklusive Schirme und Ausrüstung werden heute in einem Kleinbus über einige schwindelerregende Steilkurven auf den Gipfel gebracht.
Die Stimmung ist ausgelassen, mein Schwager sitzt zur Unterstützung neben mir.
Der wollte sich das Spektakel natürlich nicht entgehen lassen und fliegt heute mit mit mir.
Co-Pilot, sozusagen.
Ready for Take-Off
Heute haben wir Glück und das Taxi fährt uns tatsächlich bis ganz hinauf zur Bärenhütte auf knapp 1500m.
Dort gibt es ein weitläufiges Startgebiet in gleich drei Himmelsrichtungen - die Wahrscheinlichkeit, dass der Start hier gelingt, ist also relativ groß.
„Bärig“ ist der Wind heute, erklärt man mir. „Das wird easy heute“. Sehr gut.
Ein paar Gleitschirm-Kollegen beobachten wir noch beim Start, dann bin ich selbst an der Reihe.
Mein Pilot Chris zieht mir das Gurtzeug an und breitet unseren Schirm vorsichtig auf der Wiese aus.
Danach hakt er unsere Gurte zusammen und erklärt mir, wie wir gleich abheben werden.
„Erst langsam gehen, bis der Schirm über uns ist.“ „Dann zähle ich runter, und du rennst, so schnell du kannst!“ Klingt logisch. Und dann geht es ganz schnell.
Schirm oben, 3-2-1, los.
Ich renne, renne, und meine Beine rennen schon in der Luft weiter.
Das war’s? So schnell geht das? Schon sind wir oben? Magisch!
Die Wiese unter uns wird kleiner, mein Magen macht einen Satz nach oben.
Das Paradies von oben
Der Kaiser! Der Walchsee! Kössen! Die Steinplatte! Der Lofer!
Ein schöneres Fluggebiet kann ich mir kaum ausmalen. Aus der Vogelperspektive betrachtet sieht alles so nah aus, so idyllisch, wie ein Miniaturwunderland, dass sich da unter uns ausbreitet.
Mein Pilot Chris ist völlig entspannt.
Seit 20 Jahren fliegt er schon, bei 3000 Flügen hat er aufgehört zu zählen. Kein Wunder, wer direkt neben der Talstation der Bergbahn Hochkössen aufwächst. Im Winter skifahren, im Sommer fliegen.
Wenn das dann noch zum Beruf wird - perfekt!
Wir plaudern ein wenig über die Region, ich frage ihn aus, wie das alles so geht mit dem Wind, der Thermik und der Luft.
Wie das mit dem Fliegen nämlich funktioniert, ist für mich bis heute ein großes Rätsel.
Fürs bessere Feeling darf ich dann direkt selbst mal testen.
Vorsichtig nehme ich die Zugseile in die Hand, und darf eigenhändig lenken.
Anfangs noch zögerlich, spüre ich mit jeder Kurve mehr, wie sich der Schirm verhält und verstehe, wie das Fliegen zur Sucht werden kann.
So leicht fühlt es sich an, selbst zu fliegen. Kleine Bewegungen, die eine große Wirkung haben. Nichts um uns herum, nur den Fahrtwind, den wir spüren. Immerhin fliegen wir mit ca. 30 km/h Vorwärtsgeschwindigkeit durch die Lüfte.
Fahrt das mal am Fahrrad! Da weht Euch auch der Wind um die Ohren!
Achterbahn mit Luftpolster
„Magst gern Achterbahn fahren?“ fragt Chris mich nach einer Weile.
Na, um Gottes Willen! Seitdem ich Mutter bin, bin ich wirklich ein Angsthase geworden. Sogar beim Schaukeln wird mir schlecht. Auch hier meldet sich nach einer knappen halben Stunde Flugzeit schön langsam die Übelkeit.
„Lieber gemütlich“ antworte ich deswegen. Wir könnten uns nämlich auch mit ein paar Steilspiralen zurück auf den Erdboden katapultieren, aber darauf verzichte ich heute lieber.
Mit uns zusammen ist ein weiteres Tandempaar gestartet, denen schaue ich lieber zu beim Zirkeln und bewundere deren nagelneuen Gleitschirm, den der Sponsor, der Besitzer des benachbarten Campingplatzes heute als erster testen darf.
Apropos Campingplatz: mein Mann wartet mit unserer Tochter Louise schon gespannt auf uns, unten im Tal. Noch erspähe ich sie allerdings auf dem großartigen Spielplatz am Campingplatz. Hoffentlich kann sich Louise rechtzeitig loseisen und verpasst unsere Landung nicht.
Nun geht es nämlich schnell. Der Boden kommt immer näher, der Landeplatz, gespickt mit bunten Schirmen, breitet sich unter uns aus.
Wie die Landung funktionieren soll, habe ich mir bisher noch garnicht überlegt, aber Chris hat alles im Griff. „Beine kurz anziehen und mitlaufen“.
Prepare for Landing!
3-2-1. Gelandet. Die Landung saß. Nix laufen, nix hinfallen. Punktlandung. Easy. Profis halt.
Louise saust auf mich zu und macht große Augen, als sie den riesigen Schirm entdeckt.
Nächstes Jahr bist Du dran mit fliegen, Louise.
Ab 20 Kilo Körpergewicht hast Du nämlich keine Ausrede mehr!
Ich freue mich drauf, Dich danach im Fliegerstüberl mit einem Eis zurück auf der Erde willkommen zu heißen. Dein Onkel kommt sicher auch wieder mit und zeigt Dir die Welt von oben.
Ein großartiges Erlebnis. Für jung und alt, groß und klein.
Ein schöneres Urlaubs - Abenteuer kann ich mir eigentlich kaum vorstellen.
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Übrigens - wir haben im Kaiserwinkl eine große Dichte an Flug-Anbietern, einfach anrufen und gleich Flug vereinbaren. Ein Tandem-Flug ist auch ein tolles Geschenk für Jedermann.
Paragliden am Unterberghorn (1550m), Kössen.
Auffahrt per Bergbahn oder Taxi zum Gipfel des Unterberghorn in Kössen.
Tandemflüge buchbar bei verschiedenen Flugschulen, ca. 130€ p.P. exkl. Liftpass/Taxi (ca. 15€)
Flüge für Kinder und Erwachsene ab 20kg Körpergewicht möglich.
Gutscheine erhältlich.
Spielplatz und Campingplatz nebenan.