Herzhafte Traditionen
Der guade Speck
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Uli Kaiser, 51, freier Journalist für Sport, Wirtschaft und Kultur, hat in seinem Leben zahlreiche Leistungssportler hautnah begleitet. Er genießt das Leben in der Natur und saugt jede kleine Nuance auf. Schwimmen, Radfahren, Wandern und Nordic Walking gehören zu seinen sportlichen Betätigungsfeldern. Ansonsten macht er sein Hobby zum Beruf. Er genießt Regionen zu entdecken und zu beschreiben, wie Menschen leben und welche Gedanken sie haben.
Die Metzgerei Gründler steht für traditionelle Spezialitäten. Wer in den Kaiserwinkl fährt, kommt normalerweise an einem guten Speck nicht vorbei. Wobei so speckig wie er früher einmal war, ist er heute nicht mehr. „Früher haben die Leute den Bauchspeck mit sicherlich 50% Fettanteil sehr gerne gegessen. Heute nehmen wir mehr das Karree, weil es vielleicht noch 15% Fettanteil besitzt“, erzählt der Senior-Chef Martin Gründler.
Martin, der den Betrieb 37 Jahre lang führte, erzählt begeistert von seinem Handwerk, das ihm bereits durch seinen Vater in die Wiege gelegt worden ist. „Das hat mich immer schon interessiert. Früher bin ich noch selbst zu den Bauern gefahren und habe gerne mit ihnen verhandelt. Außerdem konnte ich direkt vor Ort sehen, wie die Tiere gehalten und gefüttert wurden“, erinnert er sich. Früher durften die Metzger noch selbst schlachten. Dann kamen die EU-Vorgaben und darum gibt es jetzt große Schlachtbetriebe.
Mit viel Gefühl
Ein guter Metzger besitzt genau wie ein leidenschaftlicher Koch viel Gefühl. Martin Gründler testete früher das Karree, den Schlögel oder den Bauch mit der Hand um herauszufinden, welches Fleisch als Geräuchertes am besten geeignet war. „Wenn das Fleisch fest war und nicht an der Hand kleben blieb, war es als Speck geeignet“, berichtet der Kössener. Sohn Michael und Enkel Tobias, die beide im Betrieb sind, machen das heute anders: sie messen den PH-Wert, der einen gewissen Wert nicht überschreiten darf. Der Speck wird auch heute noch gemäß der alten Tradition hergestellt. Zuerst wird das Fleisch mit Pökelsalz und einer hauseigenen Gewürzmischung eingerieben.
Ein sanfter Prozess
„Früher konnten wir den Speck nur in den Monaten mit „R“ herstellen. Im Herbst und Winter war es nicht nur kalt genug, sondern auch von der Luftfeuchtigkeit her optimal“, erklärt der Senior. Wenn es zu warm und zu feucht ist, verdirbt das Fleisch. Dank moderner Klimatechnik kann der Speck mittlerweile während des ganzen Jahres produziert werden. Das gepökelte Fleisch reift zunächst drei bis acht Wochen in einem Klimaraum bei 12 Grad und der optimalen Luftfeuchte. Das Pökelsalz gibt den edlen Stücken die schöne rote Farbe. Martin und Enkel Tobias öffnen den Klimaraum. Ich genieße den guten Duft, der mir in die Nase steigt.
„Guter Speck“ reift ziemlich lange
Nach dem ersten Reifeprozess wird das Fleisch sanft über Buchenholzspänen geräuchert. „Wichtig ist, dass die Temperatur nicht über 36 Grad und damit über Körpertemperatur ansteigt, sonst klappt das nicht“, führt Martin Gründler aus. Somit wird das Fleisch in seiner optimalen Qualität erhalten. Das Räuchern dauert zirka eine Woche und findet bei 20 Grad statt. Danach wandert das Geräucherte wieder in den Klimaraum. Dort verweilt die Gaumenfreude weitere zwei und vier Monate. Die niedrige Luftfeuchtigkeit „saugt“ das Fleisch aus. „Das Team gibt keinen Speck frei, der nicht die optimale Konsistenz besitzt. Während des Reife- und Trocknungsprozesses verliert ein Stück mindestens 50% seines ursprünglichen Gewichtes“, sagt Martin. Als wir im Aufenthaltsraum einige Scheiben vom Karree genießen, fallen diese leicht und luftig auf das frische Brot. Dass der gesamte Herstellungsprozess mindestens sechs Monate in Anspruch nimmt, zahlt sich aus und deshalb verdienen solch wunderbare traditionelle Speisen meine allergrößte Wertschätzung.