Zurück auf Langlaufski
nach zehn Jahren Abstinenz
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Andreas Gruhle, 32. Der Outdoor-Fanatiker ist Wanderer und Bergsteiger aus Leidenschaft und lebt inmitten der Chiemgauer Alpen. Egal wie schwer der Rucksack ist: Die Kameraausrüstung darf nicht fehlen. Seit ein paar Jahren bloggt Andreas auf gipfelfieber.com über das Draußensein und teilt seine liebsten Touren nun auch im Kaiserwinkl-Magazin.
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Beinahe glasklar spiegeln sich die letzten Sonnenstrahlen an diesem umwerfenden Wintertag in der frisch präparierten Loipe am Walchsee. Die Schneekristalle glitzern im tiefstehenden Licht und zeichnen den Vordergrund dieses Panoramas. Ergänzt wird es durch den Walchsee, der langsam zufriert und dem Zahmen Kaiser auf der linken Seite. Erst leuchtet der Heuberg im orangeroten Alpenglühen, kurz darauf Pyramiden- und Jovenspitze bis sie plötzlich im Dunkeln liegen während die Sonne hinter dem Horizont entschwunden ist. Wie ein Gemälde von Bob Ross liegt der westliche Kaiserwinkl hier vor mir. Der berühmte Fernsehmaler hätte es sich kaum schöner ausdenken können und das winterliche Antlitz mit dem frischen Schnee und dem nun lilafarbenen Himmel lässt mich fast vergessen, wofür ich eigentlich hier bin.
Ich will Langlaufen. Zum ersten Mal seit Ewigkeiten. Gefühlt seit zehn Jahren stehen die Ski unbenutzt im Keller, haben seit ihrem letzten Einsatz gleich zwei Umzüge überstanden, ohne jemals eine Schneeflocke gesehen zu haben. Zu weit hinten standen sie im dunklen Kellereck. Das Kellerfenster mit allerlei anderem Gerümpel blickdicht versperrt.
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Warum erst jetzt?
Warum die Ski so lang ihr ungenutztes Dasein fristeten? Ganz einfach: Ich empfand Langlaufen als Kind und auch später als „Heranwachsender“ immer als unfassbar langweilig. Meine lebhafteste Erinnerung ist noch die, wie wir die Langlaufski zum Skispringen missbraucht haben. Die Bindungen fanden das nicht so lustig. Kleberspuren zeugen von diesen wüsten Ausflügen. Lustig ist nur die Erinnerung wie ich ungelenk bei einer leichten Abfahrt auf den Langläufern plötzlich im dicht verschneiten Tannenbaum bremste und zuvor noch hilflos mit den Armen herumruderte. Zumindest für die anderen.
Dazu kam: Nach der Entdeckung des alpinen Skifahrens beziehungsweise des Snowboardens und später des Tourengehens sah ich überhaupt keine Veranlassung mehr, auf die Langlaufski zu steigen. Aber wenn ich die Loipe schon direkt vor der Haustür habe und auch die Loipen im Kaiserwinkl so unglaublich viele Pistenkilometer bei so einem schönen Panorama bieten, müssen sie dann doch aus ihrem Dornröschenschlaf befreit werden.
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Aller Anfang ist gar nicht so schwer
Erstaunlich bequem ist so ein Langlaufschuh, selbst wenn er jahrelang ein Schattendasein fristete. Aber auch er ist froh, endlich aus dem muffigen Kellerverlies in die Freiheit entlassen zu werden. Die Ski scheinen sich beim Erstkontakt mit dem kühlen Element gleich vertraut und wohl zu fühlen. Wie war das eigentlich mit dem Wachs? Ein Blick auf die Unterseite der Langlaufski offenbart, dass das offenbar gar nicht zwingend nötig ist. Augenscheinlich handelt es sich bei den Ski, die so langsam übrigens ihr 20jähriges Jubiläum feiern dürften, um Schuppenski.
Ein kurzes und seltsam vertrautes Klicken später, rasten die Schuhe in den Bindungen ein. Und es ist tatsächlich wie mit Fahrradfahren: Einmal gelernt, verlernt man es nicht mehr. Und so gleite ich langsam dahin. Die ersten Meter in der Loipe noch erstaunlich ungelenk. Zum Glück sind kaum mehr andere Skifahrer unterwegs. Aber es dauert nicht lang und es flutscht. Im wahrsten Sinne des Wortes. Die Bewegungen werden runder. Die Abläufe wieder vertrauter. Viel falsch machen lässt sich auch nicht. Die perfekt gezogene Loipe gibt den Weg vor und so langsam traue ich mich dann auch, ein wenig schneller zu werden.
Nach etwa 30 Minuten schließt sich die Runde wieder und mein Kopf fühlt sich in der kalten Winterluft an als würde er kräftig entlüften. Von weitem muss es aussehen als hätte ich mir einen heißen Tee eingeschenkt, so sehr dampft mein Kopf. Dazu pumpt das Herz ein bisschen schneller als während des Schreibens dieses Textes am Schreibtisch. Ein bisschen sehr sogar, denn mit langsamen Laufen hat Langlaufen so rein gar nichts zu tun. Das ist Sport. Richtig echter Sport.
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